Donnerstag, 14. August 2014

Livvy (54.)

Wir haben uns wieder auf dem Weg gemacht und sind ein ganzes Stück vorangekommen.
Ru und Keeden haben wieder mehr miteinander geredet und wir vier sind fast genau wie früher über uns hergezogen. Dereck ist gut gelaunt, und sogar die beiden Gefühls-Chaoten sprühen vor guter Laune. Was wahrscheinlich auch mit am Wetter liegt.
Die Sonne hat sich noch einmal dazu entschlossen ihre volle Kraft zu entfalten und am Ende des Tages sind wir alle erledigt.
Unser Lager ist dieses Mal weniger schnell aufgebaut als sonst. Und obwohl alle am Ende ihrer Kräfte sind, macht sich Rumer kurz vor Sonnenuntergang auf dem Weg die Gegend zu erkunden. Ich schaue ihr nach, wie sie zwischen den niedrigen Sträuchern verschwindet.
Der trockene Boden hinter mir raschelt und kurz darauf schlingen sich Derecks Arme um meine Taille. >>Was bedrückt dich, mein Engel?<<
Was mich bedrückt? Das ist eine gute Frage..
>>Ach ich weiß nicht. Naja das heißt doch, ich weiß es schon.. Es ist nur wegen Rumer.. Sie und Keeden haben sich heute zwar gut verstanden, aber die ganze Situation belastet sie. Es ist wegen Navin, und ich weiß nicht..<<.
Der Druck um meine Taille wird kurz stärker und Derecks Atem streift meinen Nacken. >>Das wird sich schon alles noch klären. Rumer braucht denke ich einfach ein bisschen Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Und du brauchst..<<, weiter kommt er nicht, denn Ru kommt mit einem Lächeln im Gesicht auf uns zu gejoggt.
>>Leute, ein kurzes Stück in Richtig Nordosten liegt ein See. Die Gegend liegt ruhig. Wollen wir heute noch umsiedeln?<<, fragt sie und sieht uns alle nacheinander an. Keeden hat sich mittlerweile auch zu uns gesellt und wird ebenfalls aufgeklärt. >>Worauf warten wir noch?<<, fragt er und beginnt sein Zelt abzubauen. Dereck fängt an zu lachen und geht, um ihm zu helfen. Auch Ru ist dabei unser Zelt zusammen zu packen. Ich sehe ihnen allen unbeholfen zu und damit ich auch etwas zu tun habe, sammle ich die Taschen zusammen, die verstreut auf dem Waldboden liegen.
Gespannt folgen wir Rumer, die sich ihren Weg durch den Wald bahnt. Und wir werden nicht enttäuscht. Der See, von dem die Rede war, hat eine beachtliche Größe und wirkt sehr einladend. Und noch bevor wir unser Lager das zweite Mal an diesem Abend aufschlagen, waten wir mit unseren Füßen am Ufer entlang.
Gerade nach der ganzen Hitze heute ist das ein göttliches Gefühl. Dereck und Keeden ziehen sich bis auf die Unterhose aus und springen mit dem Kopf voran ins kühle Nass.
>>Nicht schlecht, oder?<<, fragt Rumer. Ich schrecke zusammen und werde rot, als ich bemerke, dass ich Dereck nachgestarrt habe. >>Ja. Das hat uns nach diesem Tag auch echt gefehlt.<<
Ich schließe einen Moment die Augen und atme tief ein. Meine Füße graben sich in den weichen Sand des Ufers ein und ich lausche den Geräuschen des Wassers.
Als ich die Augen wieder öffne kann ich mich gerade noch zur Seite retten bevor sich eine Wasserfontäne neben mir ergießt. Keeden fängt an zu lachen. >>Du hättest deinen Blick sehen müssen!<<, prustet er. Doch da kommt Dereck von der Seite angehechtet. >>Na warte, das wirst du noch bereuen!<<, droht er, ein lachen unterdrückend, und nun bekommt Keeden eine Ladung Wasser ab.
Spielkinder..
Ich lasse die beiden allein und wende mich an Rumer, die sich bereits daran gemacht hat unser Zelt aufzustellen, da die Dämmerung schon eingesetzt hat. >>War ein verdammt langer Tag heute, aber es ist schön alle mal wieder lachen zu sehen.<<, sage ich zu ihr und beginne eine geeignete Stelle für das Lagerfeuer vorzubereiten.
>>Das tat auch echt gut.<<, antwortet sie und seufzt leise.
Als ich soweit bin frage ich sie: >>Haben wir noch genug Vorräte für ein festliches Abendmahl?<< Rumer zieht fragend eine Augenbraue hoch. >>Wieso festliches Abendmahl? Was ist der Anlass?<<
>>Einfach, dass wir alle einen schönen Tag hatten und wir einen wunderbaren Ort gefunden haben an dem wir uns entspannen können bevor es weiter geht. Und, dass wir alle gesund sind und trotz aller Strapatzen und unserer Kindheit putzmunter sind.<<
Rumer sieht mich leicht verdutzt an, lächelt dann aber und holt den Rucksack mit dem Proviant. Das Resultat ist nicht das aller Beste, aber für ein kleines festliches Abendessen reicht es allemal.
Ich bin gerade dabei eine der Beilagen - geröstete Waldpilze in Kräutermarinade - vorzubereiten, als Dereck und Keeden aus dem Wasser auf unser Lager zukommen. Sie lachen und versuchen sich gegenseitig ein Bein zu stellen. Oh man diese süßen kleinen Bubis. Und doch sehen beide zum anbeißen aus. Auch wenn ich nur Augen für Dereck habe, muss ich doch zugeben, dass sie beide einen schönen Körper haben. Nur gut, dass sie nicht nackt ins Wasser gehüpft sind.
Während Dereck sich bei mir einen Kuss abholt und einen Pilz stibitzt, rennt Keeden auf Rumer zu und nimmt sie, nass wie er ist, in die Arme. Sie schreit und windet sich und lacht und haut ihn. Alles auf einmal!
Kurze Zeit später sitzen wir vier zusammen vor dem kleinen Feuer und stopfen uns die Bäuche mit unserem kleinen Festmahl bis zum Rand voll. Es ist ein schönes Gefühl mit seinen Lieben einen gemeinsamen Abend zu verbringen und die Strapatzen der letzten Wochen hinter sich zu lassen. Derecks und Keedens Lachen vermischt sich endlich wieder und auch Rumer lacht heute mehr. Es mag vielleicht komisch wirken, aber diese Tatsache erwärmt meinen Bauch von innen und ich muss fast durchgehend grinsen.
Als auch der letzte Rest der festlichen Speise aufgegessen ist, fängt der Abend erst richtig an. Dereck schlägt vor, dass wir uns gruselige Sommerabend-Geschichten erzählen könnten. Da aber Niemandem etwas in der Richtung einfällt, was die anderen nicht schon kennen, weichen wir auf Geschichten der letzten Jahre aus.
>>Was hat es mit deiner Narbe an deinem Unterschenkel auf sich, Liv?<<, will Keeden wissen. Rumer rollt mit den Augen und lacht. Ich verkneife mir mein Lachen und beginne zu erzählen.
>>Okay. Also es war so. Rumer und ich waren gerade so ein paar Tage auf der Flucht vor ihrem Stamm, den Cazanara. Die haben nämlich durch einen blöden Zufall herausgefunden, dass wir Angens sind. Aber das wisst ihr ja.
Nun gut, also sind wir unterwegs und schlagen unser Lager in einer Gegend auf, in der es von Leuchthörnchen wimmelt. War nicht die beste Entscheidung..<<
>>Oh man.. Das hätte ich euch auch sagen können<<, wirft Keeden ein.
>>Ja jetzt sind wir auch schlauer.<<, fahre ich fort, >>Also wir liegen im Zelt, als wir so leuchtende Punkte hin und her huschen sehen. Rumer schnappt sich ihren Bogen und sagt ich soll im Zelt bleiben. Ich bleibe natürlich nicht im Zelt, sondern folge ihr nichts ahnend. Und das hatte dann zur Folge, dass so ein kleines unscheinbares Leuchthörnchen wie so ein Ninja aus dem Nichts auftaucht und sich auf mein Bein stürzt.
Was denn.. Ihr braucht gar nicht so zu lachen!<< Und doch muss ich selber mit lachen. >>So bin ich also zu der Narbe gekommen. Wäre Rumer nicht so eine gute Jägerin, dann wäre das nicht bloß bei dieser relativ Kleinen geblieben.<<
>>Und wenn du nicht so eine gute Heilerin wärst, dann wäre Rumers rechter Arm jetzt komplett gelähmt. Auch wenn sie Linkshänderin ist.<<, sagt Dereck und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
>>Schleimer!<<, ruft Keeden und zuckt zusammen, als Dereck ihn mit einem Stock abwirft. Schnell sieht er sich auch nach einem geeignetem Gegenstand für den Gegenangriff um.
>>Oh man Jungs. Wie alt seid ihr noch gleich?<<, meldet sich Rumer zu Wort.
Ich muss lachen und wir geben uns ein High-Five.

Samstag, 2. August 2014

Rumer (53.)

Als Livvy und die anderen zurückkommen, liege ich wieder unter dem Baum und starre in die Äste, die sich über meinem Kopf kunstvoll verflechten und beobachte, wie die Lichtstrahlen je nach Stand der Sonne anders durch das Blätterdach brechen und unterschiedliche Schattenmuster auf mein Gesicht werfen. Das Navin gegangen ist, zerrt an mir. Ich weiß, dass er es wieder nur tut, um mir zu helfen. Und das obwohl ich so scheiße zu ihm war. Ich bin so eine blöde Kuh!
Meine Freunde grüßen mich kurz und zeigen mir stolz ihre Beute. Die Jungs haben eine Hirschkuh erlegt und machen sich nun daran ihr das Fell abzuziehen und sie auszuweiden. Liv verzieht angewidert das Gesicht und kommt auf mich zu. Sie setzt sich neben mich in den Schatten.
>>Ich finde es so schrecklich.<<, sagt sie und sieht mich an.
>>Es muss getan werden. Es sei denn du willst, dass wir alle verhungern.<<, erwidere ich und setze mich auf. Der Tag ist beinahe vorbei. In wenigen Stunden wird die Nacht hereinbrechen. Ich frage mich, ob Navin einen sicheren Ort zum Schlafen findet. Wenn man in einer Gruppe reist, ist es unwahrscheinlich angegriffen zu werden, aber ein Einzelgänger könnte von einer Gruppe Plünderer oder von wilden Tieren überfallen werden.
>>Wo ist Navin?<<, fragt Livvy in dem Moment und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
Ich seufze. >>Er ist weg.<<
Fragend hebt sie eine Augenbraue. >>Habt ihr euch gestritten?<<
>>Nicht mehr als sonst.<<, murmele ich und weiche ihrem Blick aus. Sie fragt nicht weiter nach und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Fakt ist: Ich habe mir in den vergangenen Tagen nichts sehnlicher gewünscht, als das Navin mich endlich in Ruhe lässt und alles wieder so werden kann, wie es sein sollte. Liv, Dereck, Keeden und ich. Aber jetzt wo er weg ist, wird mir erst klar, dass Navin genauso zu mir gehört wie meine Freunde. Er war vier Jahre lang ein Teil meines Lebens und die erste Person außerhalb des Labors der ich mich verbunden fühle und der ich vertraue. Und ja verdammt ich habe Gefühle für ihn, auch wenn ich mir das nicht immer eingestehen möchte. Er ist ein selbstverliebter, arroganter Vollidiot, der es liebt mich auf die Palme zu bringen und er genießt es, aber ich weiß auch, dass er immer für mich da ist und auf meiner Seite steht. Egal was für haarsträubende Ideen ich auch habe. Selbst so etwas völlig verrücktes wie das Labor anzugreifen.
Mein Blick gleitet zu Keeden, der gerade geschickt das Reh vorbereitet. Kann ich mir meine Gefühle für Navin wirklich erlauben, wenn ich weiß, dass ich Keeden damit das Herz breche? Er war in der schlimmsten Zeit meines Lebens für mich da und hat dafür gesorgt, dass ich nicht zerbrochen bin. Und es war Keeden, der mich in meinen schwächsten Momenten gesehen hat und für mich da war und mich trotzdem immer für stark gehalten hat.
Ich denke jeder Mensch kann entscheiden zu wem er gehört. Und niemand ist gezwungen allein zu sein. Allein zu sein ist nur eine weitere Wahlmöglichkeit.
Liv hat natürlich einerseits ihre Schwester, aber sie hat sich auch ausgesucht zu Dereck zu gehören und Dereck hat im Gegenzug Livvy gewählt. Wenn man die beiden zusammen sieht, würde niemand ihre Zusammengehörigkeit bestreiten.
Keeden hat entschieden, dass er und ich zusammen gehören. Vielleicht ist das wahr. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir das fühlen was der andere fühlt. Liv und Dereck gehören schließlich auch zusammen. Vielleicht ist es vorherbestimmt, dass Keeden und ich letzten Endes immer zusammen gehören werden. Der Gedanke ist wirklich tröstlich. Und wen könnte ich mir besseres aussuchen, als Keeden?
Trotzdem sind da meine Gefühle für Navin. Er hat gesagt, dass er mich liebt. Er gehört zu mir.
Aber zu wem gehöre ich?

Sonntag, 4. Mai 2014

Livvy (52.)

Keeden ist ungewohnt gut gelaunt dafür, dass er in den letzten Tagen kaum ein Wort gesprochen hat und wenn dann nur um sich über irgendwas zu beschweren oder zu sagen, dass mit ihm alles okay sei. Nur mit Dereck hat er hin und wieder kurze Gespräche geführt.
Es war überraschend zu sehen, wie er und Ru sich umarmt haben. Vielleicht kann es ja jetzt endlich wieder so werden wie früher. Wobei ich denke, dass es nie ganz so sein kann, solange die Anspannung wegen Navin da ist. Mir ist klar, dass Rumer ihn liebt und ich danke ihm wirklich, dass er immer für sie da ist, aber Keeden ist ein guter Freund von mir, den ich seit meiner Kindheit kenne. Uns verbindet so viel Vergangenheit, dass es mich traurig macht ihn so verletzt zu sehen.
Plötzlich schlingen sich von hinten zwei Arme um mich. >>Na, meine Hübsche. Worüber denkst du nach?<<, fragt Dereck flüsternd und küsst mein Ohrläppchen.
>>Ich hab nur gerade ein wenig darüber rum philosophiert, ob Navin und Keeden sich wohl weiterhin die Köpfe einschlagen werden, wenn man nicht hinsieht.<<
>>Ja das werden sie. Aber das ist vollkommen normal, denn sie sind beide Kerle.<<, meint Dereck und ich spüre seine Brust an meinem Rücken vibrieren, als er lacht. >>Wenn sich irgendein Typ an dich ranmachen würde, hätte der aber auch nichts mehr zu lachen, das kann ich die versichern.<<
>>Das sagst du doch nur so.<<, sage ich Augen rollend und drehe mein Gesicht weg, damit er nicht sieht, dass ich erröte.
Bevor Dereck antworten kann, erscheint ein wilder Keeden im hohen Gras. >>Alter! Hör auf mit Liv rum zu turteln und bewege deinen Allerwertesten hier rüber. Ich hab eine Gruppe Hirsche gefunden.<<
Dereck löst sich von mir und nimmt wieder seinen Bogen in die Hand. >>Gefunden? Sind sie etwa im Wald verloren gegangen und erst du konntest sie wieder entdecken?<<
Keeden verdreht genervt die Augen, kann sich ein Lächeln jedoch nicht verkneifen. >>Komm jetzt.<<
Die beiden schleichen geschickt durchs Dickicht. Ich bleibe zurück, um sie nicht zu stören, da ich mich immer noch nicht mal ansatzweise so leise bewegen kann, wie sie.
Ich hoffe nur Rumer bringt Navin gerade nicht um. 

Sonntag, 27. April 2014

Rumer (51.)

Es sind jetzt zwei Wochen vergangen in denen Keeden kein einziges Wort mit mir gewechselt hat. Seit dem Streit. Alles was er mir entgegen bringt, wenn er mir denn überhaupt Beachtung schenkt, sind verächtliche Blicke und seine aufgebrachten Gefühle, die mich hin und wieder überschwemmen, wenn ich nicht aufpasse sie abzuschirmen.
Navin hingegen ist voll und ganz in seinem Element und geht mir auf die Nerven wo es nur geht. Obwohl ich ihn auf Abstand halten will und ihm die kalte Schulter zeige, läuft er meist in meiner Nähe, wenn wir mal wieder weiterziehen und redet auf mich ein und neckt mich, bis mir der Kragen platzt. Aber die kleinen Auseinandersetzungen mit Navin tun mir ganz gut. Sie lenken mich ein wenig von meinen ganzen Problemen ab.
>>Hey Ru.<< Ich öffne die Augen und sehe Liv an, die über mir steht und verhindert, dass die Sonne mir ins Gesicht scheint. Wir haben unser Lager an einem See aufgeschlagen und da wir vor dem Zeitplan liegen, da wir viel gewandert sind in den letzten Tagen, haben wir beschlossen für ein paar Tage hier zu bleiben. >>Dereck und Keeden wollen jagen gehen und ich wollte sie begleiten.<<, fährt Livvy fort, als ich mich aufsetze. >>Bleibst du hier oder möchtest du vielleicht lieber mitkommen?<< Ihr Blick wandert zu Navin und ich erkenne Sorge darin.
>>Nein, ich bleib hier.<<, sage ich gelassen und recke mich.
>>Bist du sicher?<<, fragt sie zweifelnd.
>>Ja klar. Sind ja nur ein paar Stunden.<<, antworte ich und schiele zu Navin rüber. >>Ich werde mich benehmen.<<
Zögerlich nickt sie schließlich. >>Okay. Ich glaub dir mal. Dann bis später.<<
>>Ja bis später.<<, meine ich und winke träge mit der Hand. >>Ach und Liv?<< Sie dreht sich noch einmal um und sieht mich fragend an. >>Richte Dereck bitte aus, dass ich Lust auf Kaninchen hätte.<<
>>Alles klar.<< Sie reckt bestätigend einen Daumen in die Höhe und geht dann zu Dereck, der sich gerade seinen Bogen umhängt. Sie küssen sich zur Begrüßung und ich schaue weg.
Schon als wir noch im Labor gelebt haben, war mir klar, dass die beiden irgendwann so enden würden. Sie haben sich immer auf so eine ganz besondere Art und Weise angeguckt. Es war mir früher schon unangenehm gewesen so viel Zuneigung zu sehen, weil ich die meiste Zeit meines Lebens so etwas nicht gekannt habe, aber ich habe es auch immer mit einer gewissen Ehrfurcht und Freude beobachtet, denn es war wie ein Versprechen: Egal wie schlimm es ist, das Schlechte kann das Gute niemals unterdrücken. Das ist in all den Jahren zu einer Art Mantra für mich geworden, dass mich dazu verleitet hat immer weiter zu kämpfen. Egal wie schlimm es ist.
Ich höre wütende Schritt und sehe Keeden am mir vorbeilaufen, seinen Bogen und Köchen umgehängt. Er starrt wütend in Navins Richtung. Dann fängt sein Blick meinen auf und ich sehe für einen Moment Sorge darin, bis er wieder undurchdringlich wird und sich abwendet. Ich spüre einen Stich in meiner Brust, wie immer, wenn Keeden mich so finster anstarrt. Trauer und Schmerz ergreifen von mir Besitz. Es sind meine eigenen. Ich sehe zu Boden.
Aus dem Augenwinkel nehme ich war, dass Keeden stehen bleibt und sich zu mir umdreht. Dann kommt er auf mich zu. Erschrocken starre ich ihn an und will etwas sagen, weiß allerdings nicht was. Als er bei mir ankommt, packt er mich an den Schultern, zieht mich auf die Beine und schließt mich in seine Arme.
Es ist das erste Mal seit Wochen, dass er mich berührt und nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, überkommt mich eine ungeheure Erleichterung und ich erwidere die Umarmung.
>>Es tut mir so leid.<<, murmle ich in sein T-Shirt und atme seinen vertrauten Duft ein.
Keeden drückt mich stärker an sich. >>Ist schon okay.<<
Wir stehen eine Weile einfach so da und lassen unsere Gefühle ineinander fließen. Die Trauer, der Schmerz, die Schuldgefühle der letzten Zeit, aber auch die Freude und Erleichterung darüber, dass wir uns jetzt endlich wieder vertragen haben. Dann lösen wir uns schließlich voneinander.
Ich lächle ihn an und er erwidert mein Lächeln. >>Schön, dass du endlich wieder mit mir redest.<<
>>Du weißt doch, dass ich dir nie lange böse sein kann, Ru. Und mich von dir fern zu halten, hat sich mehr nach einer Strafe für mich angefühlt, als das es geholfen hat.<< Er mustert mich aus seinen graublauen Augen und schmunzelt. >>Lass uns später reden. Ich muss jetzt erstmal zur Jagd. Ich glaub Dereck rastet aus, wenn wir nicht endlich los gehen.<<, fügt er hinzu und deutet in die Richtung, wo Dereck und Liv stehen und uns ansehen. Livvy strahlt und zwinkert mir zu und Dereck verdreht gespielt genervt die Augen und ruft: >>Komm jetzt, Keeden! Beweg deinen Arsch hier rüber!<<
>>Jaja. Bin schon auf dem Weg.<<, antwortet Keeden und dann an mich gewandt. >>Also heute Abend?<<
>>Heute Abend.<<, stimme ich nickend zu.
Er grinst und geht dann zu Dereck und Livvy. Dereck schlägt ihm gegen den Hinterkopf, woraufhin Keeden ihn in den Schwitzkasten nimmt und die beiden rangelnd das Lager verlassen, Livvy im Schlepptau. Ich sehe ihnen nach und freue mich, dass jetzt wieder alles besser werden kann.
>>Ihr habt euch wieder vertragen?<<
Erschrocken fahre ich herum und starre gegen ein graues T-Shirt, dass sich über eine muskulöse Brust spannt. Mein Blick wandert hoch zu Navins Gesicht. Er hat fragend eine Augenbraue gehoben und mustert mich spöttisch. Seine dunkelblonden Haare sind noch nass vom baden.
Ich verschränke die Arme vor der Brust. >>Sieht ganz so aus.<<
>>Freut mich für euch. Dann könnt ihr ja jetzt wieder alle einen auf große, glückliche Familie machen.<<, sagt er sarkastisch und sein Blick wird provokant.
>>Navin!<<, mahne ich ihn.
>>Was?<< Wut schwingt in seiner Stimme mit. Er ist aufgebracht. Ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Er bricht es als erster. >>Ich werde gehen.<<
Das lässt mich aufhorchen. >>Wie meinst du das?<<
>>Ich werde zurück zum Stamm gehen und gucken was ich bewirken kann, damit sie sich dieser ganzen Aktion anschließen. Nur mit den Außenseitern schaffen wir das nicht und bei denen ist auch noch fraglich wie viele kommen werden. Vielleicht schaff ich es ja auch noch ein paar andere Stämme zum Mitmachen zu bewegen. Dann hätten wir eine Chance.<< Seine Mimik ist kontrolliert, aber in seinen Augen sehe ich, dass es in ihm tobt.
Ich will irgendwas sagen, ihn zum Hierbleiben bewegen, doch ich weiß, dass er recht hat. >>Wann brichst du auf?<<
>>Jetzt gleich.<<
>>Okay.<< Mehr bekomme ich nicht heraus.
Er nickt und wendet sich ab. >>Ich geh dann mal meine Sachen zusammen packen.<<
>>Warte, ich helfe dir.<<, meine ich und gehe mit ihm. Gemeinsam bauen wir sein Zelt ab und packen es zusammen. Außerdem gebe ich ihm genug von unseren Vorräten, damit er für ein paar Tage über Runden kommt, damit er schnell zu den Stämmen gelangt und nicht so viel Zeit aufs Jagen verwenden muss.
Als alles gepackt ist, stehen wir uns wortlos gegenüber. Keiner weiß, was er sagen soll.
>>Na dann... auf Wiedersehen.<<, sage ich nach einer Weile. >>Ich hoffe du hast eine gute Reise und kommst heil beim Stamm an.<<
>>Danke.<<, erwidert er. Ich strecke ihm die Hand hin. >>Ach, Rumer. Das können wir besser.<<, sagt er, packt mein Handgelenk und zieht mich an sich. Ich sauge erschrocken Luft ein, ehe er seine Lippen auf meine presst. Erst versteift sich mein gesamter Körper, doch dann packe ich ihn am Kragen und ziehe ihn näher an mich heran, um seinen Kuss zu erwidern, doch viel zu früh löst er sich wieder von mir und sieht mich traurig grinsend an. >>Das musste noch einmal sein. Bis dann.<< Mit diesen Worten dreht er sich um, seine Tasche und seinen Bogen umgehängt und geht.
>>Pass auf dich auf.<<, flüster ich, als er schon längst im Wald verschwunden ist.

Montag, 2. Dezember 2013

Livvy (50.)

Wir stapfen jetzt schon seit fünf Tagen weiter durch den Wald und die Stimmung ist... sagen wir angespannt. Rumer läuft immer voran und schweigt die meiste Zeit, während Navin dicht bei ihr läuft und sie volllabert, als wäre zwischen ihnen alles okay und als würde sie ihn nicht dauernd so angucken, als wolle sie ihn abschießen. Keeden läuft bei mir und Dereck, um Dereck zu stützen, da er zwar wieder einigermaßen fit ist, sich aber noch nicht zu sehr belasten darf. Ich bin unendlich froh, dass er es geschafft hat das Kängururattengift zu bekämpfen. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde.
Unwillkürlich drücke ich seine Hand, die in meiner liegt und er sieht mich fragend von der Seite an. >>Alles okay, Liv?<<
Ich sehe in seine graugrünen Augen, die Augen in die ich mich verliebt habe, und lächle. Er weiß, dass mich etwas bedrückt, weil er es spüren kann, wenn wir so nah beieinander stehen und uns berühren, so wie ich spüren kann, dass er immer noch einige Probleme hat mit dem Tempo der anderen mitzuhalten, er aber nichts sagen will, um uns nicht aufzuhalten, trotzdem fragt er mich, um mir die Möglichkeit zu lassen auszuweichen. Eine weitere seiner Eigenschaften, die ich sehr schätze. >>Ja, alles klar. Ich bin nur etwas erschöpft. Können wir vielleicht etwas langsamer gehen?<<
Ohne ein Wort verlangsamen Rumer und Keeden gleichzeitig ihre Schritte. Navin nur einen Sekundenbruchteil danach. Dereck sieht mich dankbar an und küsst mich auf die Wange. Seine Liebe durchströmt mich.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Rumer es schafft Keedens Gefühle und ihre eigenen zu verarbeiten, jetzt da zwischen den beiden so viel... sagen wir spontane Antisympatie herrscht.
Wir laufen noch weiter bis die Sonne sich langsam über die Bergketten am Horizont senkt und die Bäume tiefe Schatten werfen. Rumer lässt ihre Tasche auf den Boden fallen, schnappt sich ihren Bogen und verschwindet im Wald. Das Zeichen für uns, dass wir hier unser Nachtlager aufschlagen werden. Dereck und ich stoßen gleichzeitig einen erleichterten Seufzer aus. Unsere Blicke kreuzen sich und wir lächeln. Für ein herzliches Lachen ist die Luft einfach zu dick. Keeden hilft Dereck, der noch etwas ungelenk ist, sich hinzusetzen und macht sich daran das Zelt der beiden aufzubauen.
Seit dem riesigen Streit schlafen Dereck und Keeden wieder in einem Zelt und Ru und ich teilen uns das andere von unseren. Navin schläft allein. In Anbetracht er Situation vermutlich die beste Idee. Wenn Ru oder Keeden allein schlafen würden, müssten wir uns nachts immer Sorgen machen, dass einer von den beiden Navin absticht. Das wäre nicht nur schade, weil wir dann die Hilfe der Stämme knicken könnten, sondern auch, weil ich Navin gern hab. Nur irgendwie hat er es geschafft die geballte Wut auf sich zu ziehen. Die von Keeden erklärt sich von selbst, aber Ru ist mittlerweile noch angepisster, als am Anfang, da Navin es einfach nicht lassen kann sie zu provozieren. Ich weiß warum er das macht.
>>Bin gleich wieder da.<<, sage ich zu Dereck und gehe hinüber zu Navin, der sich unter einen Baum gesetzt hat und den Schatten genießt. Als ich näher komme, öffnet er die Augen.
>>Livvy. Was verschafft mir das Vergnügen?<<, fragt er und hebt eine Augenbraue.
>>Ich wollt dir nur sagen, dass dich nicht alle hassen. Dereck und ich haben kein Problem mit dir.<<
Er lächelt. >>Danke. Gut zu wissen, dass nur fünfzig Prozent von euch mich nicht ausstehen können.<<
>>Ru mag dich.<<
>>Sie hasst mich. Von Tag zu Tag mehr.<<, meint Navin und seine Fassade zeigt einen Augenblick Risse, als Bedauern in seinen Augen aufblitzt.
>>Nein. Sie ist nur sauer.<<
>>Müsstest du, als ihre beste Freundin dann nicht auch sauer auf mich sein?<<, will er nun wissen und verschränkt die Arme vor der Brust.
>>Nein. Ich weiß nämlich, was du für sie tust.<<, erwidere ich. >>Du provozierst sie, damit sie sich auf ihre Wut auf dich konzentrieren kann und ein wenig von den Schuldgefühlen abgelenkt wird. Du kennst sie nämlich und weißt wie wichtig ihr Loyalität ist und wie sehr sie unter der Situation leidet.<<
Navin schweigt. Er mustert mich lediglich mit seinen grauen Augen. Nach einer Weile nickt er langsam und ein schwaches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. >>Danke, Livvy. Tut gut mal wieder ein normales Gespräch zu führen.<<
>>Gerne. Wenn du reden willst, bin ich da.<<
Er steht auf und schnappt sich sein Zelt, um es aufzuschlagen. Einen Moment hält er inne. >>Ich komm darauf zurück.<< Dann macht er sich an die Arbeit.
Ich gehe zurück zu Dereck und Keeden, die in ein Gespräch vertieft sind. Es tut gut sie so entspannt zu sehen. Keeden lacht sogar ab und zu. Ich setze mich neben Dereck, mein Kopf auf seiner Schulter und höre den beiden Jungs ein bisschen zu, ohne wirklich den Inhalt des Gesagten wahr zu nehmen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Schreibblockade und son Zeug

Hey Leute.
Hab gerade eine schlimme Schreibblockade und darum kommt irgendwie nichts Gutes zustande.
Hier mal ein neuer Buchanfang.
Freu mich über Feedbacks. :)
Lia
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Sie spähte um die Ecke, um nachzusehen, ob die Luft rein war. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und sie musste sich zusammen reißen, um nicht einfach Hals über Kopf los zu stürmen, denn wenn sie auch nur den kleinsten Fehler machte, dann war es das. Für sie bei-de.
   Die Straßen waren menschenleer, wie üblich in dieser Gegend. Da-rum hatten sie hier ja auch ihren Treffpunkt. Niemand kam mehr in die verlassenen Teile. Nicht einmal die Bettler, da es hier nichts zu holen gab. Alles was auch nur den Hauch von Wert besaß, wurde schon vor Jahrzehnten, kurz nach dem Bau der gereinigten Städte, von Plünderern mitgenommen.
   Nur die wenigen, die in den Augen der Regierung unrein waren, konnten noch einen Grund haben hierher zu kommen. So wie sie selbst.
   Gedankenverloren schlug sie ihren Jackenärmel hoch und berührte mit den Fingerspitzen vorsichtig das Tattoo, dass sich über ihren Un-terarm schlängelte. Es war ein Geflecht aus Ranken und Schlingpflan-zen, das fast jeden Milimeter ihrer Haut bis hoch zu ihrer Schulter be-deckte und bei ihrer Berührung anfing unruhig zu zucken. Das Mäd-chen lächelte. >>Ganz ruhig, Lex. Es wird schon nichts passieren.<<
   Ihre Augen wanderten achtsam die Straße entlang und nahmen jedes winzige Detail auf. Die Pflanzen, die durch den geborstenen Asphalt wucherten, die Risse in den Fassaden der Gebäude, die zu beiden Sei-ten aus dem Boden aufragten, wie traurige Denkmähler einer längst vergangene Zeit. Die halb heruntergerissenen Rollläden, die einst die Familien in den Häusern vor neugieren Blicken geschützt hatten. Dann suchte sie den Himmel ab. Bis auf ein paar Vögel und vereinzel-te kleine Wolken war nichts auffälliges zu sehen.
   Vorsichtig trat das Mädchen aus dem Schutz der Gasse und schlich dicht an den Hausmauern die Straße entlang, bis zu einem Gebäude, mit einem riesigen klaffenden Loch in der Front, wo einst ein großes Panoramafenster gewesen war. Es muss früher wohl einmal ein Schaufenster gewesen sein, oder vielleicht ein Coffeeshop. Was genau konnte man nicht feststellen, da es im Inneren außer einem Haufen Müll keinerlei Einrichtung mehr gab, die einem einen Hinweis geben konnte.
   Geschickt kletterte sie über das Fensterbrett. Das zerbrochene Glas, das überall auf dem Boden verstreut lag, knirschte unter ihren Schuh-sohlen und piekste ihr unangenehm in die Füße, aber das störte sie kaum, denn sie war schon so aufgeregt, auf das, was gleich kommen würde, dass alles andere ihr unwichtig und weit entfernt vorkam. Ein letztes Mal warf sie einen Blick über die Schulter, ob ihr vielleicht doch jemand gefolgt war und erst, als sie sich vom Gegenteil überzeu-gt hatte, ging sie weiter in das verfallene Gebäude.
   An der hinteren Wand befand sich eine Öffnung, mit einer morschen Tür, die nur noch von einem Schanier gehalten wurde. Vorsichtig schob das Mädchen das morsche Holz ein wenig beiseite und zwängte sich durch den entstandenen Spalt, ehe sie die Tür hinter sich wieder zurecht rückte. Nun befand sie sich in einem dunklen, feuchten Flur, in dem es unangenehm nach Tierurin und Fäulnis stank.
   Der Arm des Mädchens began zu prickeln und sie warf einen Blick auf ihr Tattoo. Die Ranken wanderten nach unten und zogen sich zu-sammen, so dass am Ende nur noch ein schwarzer Ring übrig blieb, der sich um ihr Handgelenk wand. >>Ja, ja. Gleich kannst du raus, Lex.<<
   Sie tastete sich an der Wand entlang nach rechts, wobei ihre Hand über irgendetwas nasses, klebriges streifte, was sie kurz erschaudern ließ und bog dann in den zweiten Raum auf der linken Seite ab.
   Hier lagen verstreut einige leere Kartons auf dem Boden, oder stan-den aufeinandergestapelt an der Wand und durch kleine scheibenlose Fenster schien von draußen die Sonne herein und tauchte den Raum in ein spärliches Licht.
   Das Mädchen wollte gerade weiter in den Raum vordringen, als sich plötzlich ein Arm um ihre Taille schlang und ihr jemand eine Hand auf den Mund presste.
   Jetzt ist es vorbei!
   Panik durchfuhr sie, wie ein Blitz und verschlug ihr den Atem. Sie versuchte zu schrein, aber jegliches Geräusch erstarb ihr in der Kehle. Es hätte sie ja ohnehin niemand gehört.
   Plötzlich erfüllte ein schallendes Lachen den Raum und das Mäd-chen wurde freigegeben. Blitzschnell drehte sie sich um und blickte in zwei vertraute grüne Augen.
   >>Easton!<<, keuchte sie erleichtert und fiel dem Jungen um den Hals. Sie schmiegte ihr Gesicht an seine muskulöse Brust und atmete seinen Duft ein. Er roch nach einer Mischung aus Seife und Kiefern-nadeln.
   Der Junge lachte erneut und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. >>Ich hab dich vermisst, Kaylynn.<<
   Kaylynn umarmte ihn noch kurz und stieß ihn dann weg. >>Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein! Verstanden? Ich hätte beinahe ei-nen Herzinfakt bekommen!<<
   Er schmunzelte, eindeutig amüsiert über ihren Gefühlsausbruch. >>Tut mir leid. Aber du siehst verdammt süß aus, wenn du denkst, dass man dich gleich umbringt, weißt du das?<<
   >>Idiot!<<, grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
   Easton legte seine Hände um ihre Taille und zog sie näher zu sich heran, ein spitzbübisches Grinsen auf den Lippen. >>Nicht böse sein, Kay. Du bist viel hübscher, wenn du lächelst.<<
   >>Willst du damit etwa andeuten ich wäre nicht so hübsch, wenn ich wütend bin?<<, fragte sie mit gespielter Entrüstung.
   Nun wurde sein Gesichtsausdruck ganz ernst und er sah ihr fest in die Augen. >>Ich finde dich immer schön, wenn du Emotionen zeigst, Kay.<<
   Kaylynn wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also legte sie ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn zu sich runter, um ihn zu küssen.
   Als ihre Lippen sich berührten, fing ihr Herz an zu rasen und jede Faser ihres Körpers summte im Einklang. Eastons Arme umfingen sie und zogen sie noch enger zu ihm, so dass kein Raum mehr zwischen ihnen war. Er vergrub seine Hände in ihren Haaren und eine unsagba-re Wärme durchflutete das Mädchen. Dieses Gefühl, war das schönste und erhabenste, was sie in ihrem Leben jemals gespürt hatte.
   Liebe.
   Viel zu schnell löste Easton sich wieder von ihr. >>Wir sollten ein wenig vorsichtiger sein.<<, keuchte er außer Atem und trat einen Schritt zurück. Sofort fing sie an seine Nähe zu vermissen, obwohl er immer noch direkt vor ihr stand, aber nah, war ihn nicht nah genug.

   >>Ob es jemals einen Ort geben wird, an dem wir nicht mehr vor-sichtig sein müssen?<<, fragt sie und sah ihn aus großen blauen Au-gen an.

Donnerstag, 8. August 2013

Rumer (49.)

Wie erstarrt, bleibe ich stehen und sehe Keeden mit großen Augen an. Meine Kehle schnürt sich zu und es kommt mir plötzlich so vor als wäre viel zu wenig Sauerstoff in der Luft.
>>Keeden.<<, wispere ich mit viel zu hoher Stimme und könnte mich insgeheim dafür verfluchen so verdammt schuldbewusst zu klingen. Ich habe nichts unrechtes getan. Ich kann nichts für seine Gefühle mir gegenüber und auch nichts für meine Gefühle für Navin. Warum fühle ich mich dann so schrecklich?
Da wird es mir klar! Es sind Keedens Gefühle die mich so zu Boden drücken und mir den Atem rauben. Er ist enttäuscht von mir. Und er ist wütend. Seine Wut und sein Zorn brennen in mir drin, vermischen sich miteinander und es fühlt sich an, als würde ich von Innen heraus verätzen. Doch der Zorn richtet sich nicht gegen mich, sondern gegen Navin.
>>Warum?<<, fragt Keeden und sieht mich traurig an. In seinen graublauen Augen kann ich erkennen, wie tief er verletzt ist und die Erkenntnis darüber, dass ich dafür verantwortlich bin, ist viel schlimmer als sein Zorn.
>>Ich liebe ihn.<< flüstere ich und obwohl ich sehr leise spreche, versteht er mich. Das kann ich daran erkennen, dass er die Hände zu Fäusten ballt.
>>Du redest dir nur ein ihn zu lieben.<<, faucht Keeden aufgebracht und kommt einige Schritte auf mich zu. Aus Reflex weiche ich zurück und obwohl es aus Versehen war, sehe ich Schmerz über sein Gesicht huschen, bevor wieder die ausdruckslose Maske an seine Stelle rückt. >>Er hat nur deinen instabilen Zustand ausgenutzt, damit du das denkst!<<
Fassungslos starre ich ihn an. >>Das ist nicht wahr.<<
Er schnaubt. >>Das weißt du doch gar nicht. Du hast keine Ahnung von Kerlen.<<
Autsch! Aber er hat recht. Ich hatte ja nie die Gelegenheit Erfahrungen zu sammeln, da meine Kindheit die ersten Jahre daraus bestanden hatte allein zu sein und Experimente an mir durchführen zu lassen. Und zu sterben. Und wiederbelebt zu werden. Dann hatte ich meine Freunde gefunden. Liv, Dereck und Keeden. Sie hatte ich eher als meine Familie betrachtet anstatt als irgendwas anderes.
Und dann nach der Flucht war ich zum Cazanara-Stamm gekommen, wo Navin der einzige Kerl war mit dem ich wirklich viel Kontakt hatte.
Ich hatte also keine Erfahrungen vorzuweisen außer die mit Navin und den einen Kuss mit Keeden. Aber das änderte nichts an der Echtheit meiner Gefühle. >>Man lernt dazu.<<, sage ich darum trotzig und verschränke die Arme vor der Brust.
>>Und das ist Grund genug gleich mit dem erstbesten in die Kiste zu springen?<<, stößt Keeden wutentbrannt hervor und spießt mich mit seinem Blick förmlich auf.
>>Neidisch das du es nicht warst?<<, fragt plötzlich jemand hinter mir höhnisch und ich wirbele herum. Navin ist nun ebenfalls aus dem Zelt gekommen und fixiert Keeden sichtlich belustigt.
>>Du elender Dreckskerl!<<, knurrt Keeden grimmig.
>>Ja, ja. Den Teil hab ich schon mitbekommen.<<, meint Navin gelangweilt und wedelt mit der Hand in der Luft, um das Thema bei Seite zu fegen. Dann mustert er mich. >>Tut mir leid, dass ich schon rausgekommen bin, aber das Geschrei von deinem Freund hier hat mehr als deutlich gemacht, dass er es eh schon weiß und da dachte ich mir ich sollte meine Freundin besser mal unterstützen.<<
Er hat mich seine Freundin genannt! Mein albernes Herz macht einen Satz und ich frage mich wann ich so verdammt kindisch geworden bin. Das ist ja nicht auszuhalten.
Bevor ich etwas erwidern kann, kommt Keeden mir zuvor. >>Sie wird schon noch zur Vernunft kommen und dich fallen lassen.<<
>>Achja? Das werden wir ja sehen.<< Navin grinst. Anscheinend amüsiert er sich diebisch darüber, dass Keeden sich so aufregt.
>>Ja, werden wir.<<, unterbreche ich die beiden. >>Und ehrlich gesagt, komme ich ganz gut ohne euch beide aus, wenn ihr euch benehmt wie kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug streiten.<<
>>Aber es ist mein Spielzeug!<<, sagt Navin schmollend und hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.
Ich balle die Hände zu Fäusten. >>DU BIST SO EIN...<<
>>Verdammter Idiot?<<, schlägt er vor und hebt fragend eine Augenbraue.
Ich schreie frustriert auf. >>Ich gehe jetzt jagen. Und wenn ihr keinen Pfeil in eurem Körper stecken haben wollt, geht ihr mir besser aus dem Weg!<< Dabei werfe ich sowohl Navin als auch Keeden einen giftigen Blick zu und stapfe dann davon.
>>Noch einmal mehr oder weniger angeschossen werden, macht nun auch keinen großen Unterschied.<<, höre ich Navin noch murmeln ehe ich außer Hörweite bin.

Donnerstag, 1. August 2013

Livvy (48.)

Ein Tropfen kalten Wassers fließt über seine Schläfen. Behutsam streiche ich ihn mit der Fingerspitze über die Wange, und der Tropfen muss sich mit dieser Blockade geschlagen geben.
Dereck hatte eine unruhige Nacht. Wie froh ich war, dass er immerhin zwei Stunden am Stück geschlafen hat. Meine Augen konnte ich währenddessen nicht zum schließen überreden. Sie haben ihn die ganze Nacht über betrachtet, wie einen wertvollen Schatz, den es zu beschützen gilt.
>>Dereck, trink das hier.<< Ich reiche ihm eine Schüssel mit in heißem Wasser aufgekochten Kräutern. >>Bitte. Tu's für mich, bitte!<<
Mühsam hebt er seinen Kopf. Er sieht erledigt aus. Seine sonst so fluffigen goldbraunen Haare liegen in Strähnen an seiner Stirn. Ich kann dem Drang nicht wiederstehen, sie ihm aus dem Gesicht zu streichen. Unterhalb seiner graugrünen Augen zeichnen sich tiefe dunkle Ringe ab.
>>Es wird dir helfen.<< Stützend lege ich ihm meine Hand an seinen Hinterkopf und halte mit der Anderen die Schüssel mit dem heilenden Kräutertee.
Nach dem ersten Schluck verzieht er das Gesicht und der Tee fließt aus seinem Mund zurück. Verzweifelt und flehend sieht er mich an.
>>Ich weiß. Aber bitte trink den Tee. Denk an etwas anderes. Sobald du ihn getrunken hast, gebe ich dir ein Stück Brot.<< Oh Gott, ich klinge schon wie seine Mutter.
Ihn so voller Schmerzen und Verzweiflung zu sehen, lässt etwas in mir zerbrechen. Es ist schrecklich. Es ist so furchtbar grausam, einen Menschen, den man über alles liebt, für den man sein Leben geben würde, in dieser Situation vor sich liegen zu sehen. Auch wenn ich Heilerin bin, kann ich nichts in meiner Macht stehende tun, um ihm all seine Schmerzen zu nehmen.
Ich kann nur neben ihm sitzen und ihm bei seinem Kampf gegen das Gift in seinem Körper die Hand halten. Rumsitzen und Däumchen drehen. Warum bin ich es nicht gewesen, die angefallen wurde? Warum tut man mir das an? Warum, verdammt, kann man mich mit sowas nicht einfach verschonen? Ich habe schon genug durchgemacht. Dereck hat das nicht verdient.
Die Schüssel ist leer. Seine Augen geschlossen. Eine Träne fließt mir über die Wange. Die Welt außerhalb des Zeltes scheint meilenweit entfernt.
Ich lege mich neben ihn. Halte seine Hand und hoffe. Hoffe und bete für meine Liebe.
In Gedanken gehe ich jedes einzelne Kraut durch, das ich kenne. Suchend wandere ich in den hintersten Winkeln meines Gedächtnisses. Nichts, das ich nicht schon probiert habe.
Atemzüge verstreichen. Derecks Brust hebt und senkt sich gleichmäßig.
Draußen beginnen die Vögel zu zwitschern. Ich öffne meine müden Augen und sehe die ersten Sonnenstrahlen durch die Zeltwand dringen. Derecks gleichmäßiger Atem beruhigt mich, und es dauert nicht lange bis auch ich einschlafe.
Noch halb am träumen reibe ich mir meine Augen. Neben mir sind noch immer gleichmäßige Atemzüge zu hören. Es sind nur ein paar Stunden vergangen höchstens. Ich drehe mich auf den Rücken und strecke meine müden Knochen.
Da ich nicht mehr einschlafen kann, kümmere ich mich um Derecks Biss. Ich wechsle gerade seinen Verband, als lautes Geschrei die Stille durchbricht.

Samstag, 27. Juli 2013

Rumer (47.)

Als ich erwache dauert es einen Moment, bis mir wieder einfällt, was gestern geschehen ist. Ich spüre Navins Arm um meiner Taille und sehe ihn an. Er schläft noch. Sein Atem geht langsam und regelmäßig. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, ohne, dass ich es kontrollieren kann und ich schmiege mich an ihn. Durch die Tatsache, dass ich nackt bin und er auch, fühle ich mich einen Moment unbehaglich, aber dann schiebe ich dieses Gefühl beiseite. Das ist doch totaler Unsinn. Wieso soll ich mich merkwürdig fühlen, wo wir doch letzte Nacht... Ich atme tief durch und schließe wieder die Augen. Die Erinnerung an letzte Nacht laufen vor meinem inneren Auge ab. Navins Küsse. Wie er mich überrascht angesehen hat, als ich mein Oberteil ausgezogen habe. Seine Hände, auf meiner Haut. Ein wohliges Kribbeln läuft durch meinen Körper.
Bist du dir sicher? hat er mich gefragt. Und ich habe dies bejaht, denn ich war mir sicher. Nie in meinem Leben hatte ich etwas so sehr gewollt, wie das. Ich habe ihm meine Jungfräulichkeit geopfert.
Ich spüre, wie er sich bewegt und öffne die Augen wieder. Er streckt sich und sieht mich dann an, ein sanfter Zug umspielt seine grauen Augen. >>Dann war das wohl doch kein Traum.<<, bemerkt er und grinst verschlagen.
Mein Herz macht einen Satz und ich weiß nicht, wie ich antworten soll, aber das ist auch gar nicht nötig, denn er beugt sich zu mir rüber und küsst mich. Seine Lippen sind warm und weich. Der Kuss sanft und federleicht, eigentlich nur ein Hauch, dann löst er sich schon wieder von mir und sein Blick erforscht mein Gesicht.
Er denkt ich hätte es mir vielleicht anders überlegt und wartet auf eine Reaktion von mir.
Ich lächle und es ist deutlich zu erkennne, wie er sich entspannt.
>>Guten Morgen.<<, murmele ich und mein Herz hämmert so wild, dass ich befürchte es könnte zerspringen.
Navin grinst wieder. >>Guten Morgen, meine Liebe.<< Die Worte meine Liebe haben nun eine völlig neue Bedeutung für mich. Er mustert mich nachdenklich. >>Alles okay?<<
>>Ja, alles klar. Ich bin wohl nur etwas nervös.<<, gestehe ich und seufze. Mein Magen kribbelt. So habe ich mich noch nie gefühlt. So leicht, aber doch fest im Boden verankert, so verletzlich, aber auf eine gute Art und Weise. Ich bin nicht hilflos. Ich bin glücklich.
>>Nervös? Jetzt?<<, schnaubt Navin und lacht leise. >>Wäre das gestern nicht etwas angebrachter gewesen?<<
>>Na ja, jetzt kann ich meine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.<< Ich sehe ihn an und mir wird klar, wie das klingen muss. >>Nicht das ich das will.<<, füge ich schnell hinzu. >>Aber das macht mich halt etwas nervös.<<
Navins Augen werden ganz groß. >>Moment mal... heißt das etwa...<< Er macht eine Pause und schluckt. >>Das gestern war dein erstes Mal?<<
Ich weiß, dass er schon mit anderen Mädchen geschlafen hat. Ich habe gehört, wie die Mädchen im Dorf immer von ihm erzählt haben und wie ihre Mütter und Väter sich über Navin aufgeregt haben, weil er nie lange bei einer geblieben ist.
Wie er hingegen auf die Idee kommt, ich hätte schon mit anderen Kerlen geschlafen, ist mir schleierhaft.
>>Ja, das war mein erstes Mal. An wen bitte hätte ich meine Jungfräulichkeit denn verlieren sollen, wenn ich fragen darf?<< Ich hebe eine Augenbraue und sehe ihn skeptisch an.
Auch ihm scheint das langsam klar zu werden. >>Rumer, das hättest du mir sagen müssen.<<, sagt er bestürzt und setzt sich auf.
>>Wieso? Was hätte das geändert?<<, frage ich und setze mich ebenfalls hin.
Er fährt sich mit der Hand durch seine blonden Haare, die ihm wirr vom Kopf abstehen und ich muss daran denken, wie ich gestern mit meinen Händen dieses Chaos angerichtet habe und muss grinsen.
>>Dein erstes Mal hätte was besonderes sein sollen.<<, meint Navin und sieht mich aus seinen grauen Augen verzweifelt an.
Ich lehne mich zu ihm rüber und küsse ihn so sanft, wie er mich eben geküsst hat. Dann sehe ich ihm in die Augen und flüstere: >>Es war etwas besonderes.<<
Er umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und schüttelt leicht den Kopf. >>Ich habe es nicht verdient, dass du mir das geschenkt hast.<<
>>Doch, das hast du. Und es gibt niemandem dem ich es lieber geschenkt hätte.<<, sage ich sanft und ziehe ihn an mich und wir küssen uns eine Weile, bis er sich atemlos von mir löst.
>>Wir sollten... vielleicht zu den anderen gehen. Sonst fragen sie sich noch, wo wir so lange bleiben... und kommen nachsehen.<<, meint er sichtlich bemüht zu Atem zu kommen. Ich ziehe einen Schmollmund, woraufhin er grinst. >>Komm schon. Keeden sollte es nicht auf diese Art erfahren.<<
Oh mein Gott, Keeden! Den hatte ich ganz vergessen. Meine Gefühle haben mich gestern so überwältigt, dass ich gar nicht gespürt habe, wie er sich gefühlt hat, ob er schon geschlafen hat, oder ob er... es mitbekommen hat. >>Du hast recht.<<, sage ich schließlich und suche meine Sachen zusammen, die ich dann in meine Tasche stopfe, nachdem ich mir frische Klamotten rausgesucht habe.
Es stellt sich als ziemlich kompliziert heraus, sich zu zweit in einem so kleinen Zelt anzuziehen, aber wir bekommen es hin. Als wir fertig sind und ich gerade den Reißverschluss aufziehen will, um nach draußen zu gehen, hält Navin mich am Handgelenk fest. >>Warte.<<
Ich sehe ihn fragend an. >>Was ist denn?<<
Statt einer Antwort zieht er mich an sich und küsst mich. Nur ganz kurz, aber mein Magen macht trotzdem Saltos.
>>Da ich mal davon ausgehe, dass wir das mit uns geheimhalten, bis Keeden davon weiß, wollte ich meine letzte Gelegenheit vor heute Abend noch einmal nutzen.<<, sagt Navin und hebt einen Mundwinkel, zu einem schiefen Lächeln, das total sexy aussieht.
Ich ohrfeige mich innerlich. Reiß dich mal zusammen! Du klingst schon wie eine verliebte Städterin! Du musst dich konzentrieren und ruhig bleiben!
Aber es fällt mir unglaublich schwer mich auf irgendwas anderes außer Navin zu konzentrieren, vor allem wenn er mir so nahe ist, also öffne ich den Reißverschluss und gehe hinaus ins Freie. Die kühle Morgenluft schlägt mir entgegen und weht durch mein offenes Haar, dass mir noch ganz verwuschelt über die Schultern fällt.
Als ich den Blick hebe, bemerke ich Keeden, der ganz in der Nähe steht, die Arme vor der Brust verschränkt und mich mit einem finsteren Blick durchbohrt.
Meine Eingeweide erstarren zu Eis und mein Herz bleibt kurz stehen.
Er weiß bescheid!

Dienstag, 16. Juli 2013

Navin (46.)

Als ich wieder beim Lager ankomme, ist Rumer gerade dabei ein Zelt aufzubauen.
Ihre kleine braunhaarige Freundin ist bei dem Verletzten und murmelt leise vor sich hin. Wahrscheinlich steht sie unter Schock, denke ich und mustere sie genauer. Das Mädchen, Livvy, ist eindeutig keine Jägerin. Dafür allerdings eine sehr gute Heilerin. So wie es aussieht, kommt der Junge durch. Aber ich weiß ja, wie gut ihre Fähigkeiten sind.
Gedankenverloren sehe ich auf meine Hand, in deren Mitte eine kleine Narbe prangt und streiche vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Vor meinem inneren Auge laufen wieder die Bilder von dem Tag ab, an dem Rumer mir einen Pfeil durch die Handfläche geschossen hat, weil ich ihre Freundin angreifen wollte. Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass Rumer ein Angen ist und was sie für eine Hintergrundgeschichte hat... aber sie hat ja nie darüber gesprochen. Ich hätte ihr vielleicht helfen können.
Mein Blick schweift, wie automatisch, zu ihr. Sie kämpft gerade damit die Heringen im Boden zu befestigen und flucht vor sich hin. Ich gehe zu ihr rüber und knie mich neben sie. 
>>Lass mich das machen.<<, sage ich und nehme ihr die Heringe aus der Hand. Sie rückt ein Stück zur Seite und ich bemerke aus dem Augenwinkel, dass sie mich ansieht. Ich widerstehe dem Drang ihren Blick aufzufangen und mache mich daran die Heringe in den Boden zu drücken. Im Handumdrehen bin ich fertig.
>>Danke. Und es tut mir leid.<<, murmelt Ru und nun sehe ich doch zu ihr rüber. Ihre graublauen Augen sind mit Tränen gefüllt.
>>Schlechter Zeitpunkt um anzufangen zu heulen. Deine kleine Freundin muss sich um den Verletzten kümmern und Keeden ist noch irgendwo im Wald. Und du erwartest ja wohl nicht, dass ich dich tröste, oder?<<, sage ich härter als eigentlich gewollt und stehe auf.
>>Navin.<<, stammelt Ru, doch ich wende mich bereits ab und gehe.
Am Abend liege auf dem Rücken in meinem Zelt und starre an die Decke. Angestrengt versuche ich nicht über die Einteilung der anderen beiden Zelte nachzudenken. Livvy wird wahrscheinlich bei ihrem Freund im Zelt schlafen wollen, einerseits, weil sie ihn liebt und andererseits, weil sie von uns die einzige ist, die weiß, wie er behandelt werden muss. Das heißt Keeden und Rumer...
Und ich denke doch über die Zelteinteilung nach. So ein Mist! Wütend presse ich die Kiefer zusammen und stoße dann hörbar Luft aus. 
Warum macht mir das nur so viel aus? Ich hatte doch sonst nie ein Problem damit, wenn ein Mädchen mit dem ich mal was hatte, bei einem anderen Kerl geschlafen hat. Andererseits hatte ich für diese Mädchen auch nie irgendwelche Gefühle. Rumer war oder besser gesagt ist die einzige für die ich je so empfunden habe. Die anderen Mädchen waren eigentlich immer nur eine Ablenkung, weil ich mir nie vorstellen konnte, dass Ru meine Gefühle jemals erwidern würde. Sie hat mich schon immer für einen arroganten Kotzbrocken gehalten. Seit sie damals bei uns im Stamm angekommen ist. Für mich hingegen war sie das Schönste, was ich je gesehen habe. Dieses kleine zierliche, zwölfjährige Mädchen mit dem wirren blonden Haar und den großen Augen. Und als sie dann auch noch darauf bestanden hatte, jagen gehen zu dürfen, anstatt, wie die anderen Frauen, sammeln zu gehen, war es um mich geschehen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich Lisandro angebettelt habe, Rumer ausbilden zu dürfen. Dafür musste ich einen Monat lang nachts noch jagen gehen, um mehr Beute anzuschaffen, aber das war es mir wert. Und als ich unseren Stammesfüherer dann auch noch überreden konnte mich zu Rumers Jadgpartner zu machen...
Seufzend schiebe ich die Erinnerungen bei Seite und starre wieder wie gebannt an die Decke. Ich darf nicht daran denken. Das macht es nur schlimmer, sage ich mir immer wieder und presse die Lippen zusammen.
Plötzlich höre ich das leise Ratschen des Reißverschlusses und taste aus Reflex nach meinem Bogen, ehe ich die Gestallt erkenne, die in der Öffnung meines Zeltes auftaucht.
>>Rumer?<<, frage ich verwirrt und sehe sie ungläubig an. >>Was machst du denn hier?<<
Sie wirkt unsicher und knabbert an ihrer Unterlippe herum. >>Ich wollte eigentlich fragen, ob ich noch hier schlafen darf, aber ich kann auch gehen...<<
>>Hier schlafen?<<, unterbreche ich sie und bin nun noch verwirrter.
>>Ja.. Das war eine blöde Idee. Tut mir leid.<<, haspelt sie und will wieder gehen, doch ich halte sie am Handgelenk fest.
>>Nein. Ist schon okay.<<, sage ich sanft und werde weich. Ich habe Rumer noch nie so unsicher und... verletzlich erlebt, wie jetzt.
Zögerlich kommt sie ins Zelt und schließt den Reißverschluss wieder hinter sich. Dann sieht sie mich unsicher an, als wüsste sie nicht, was sie jetzt machen soll.
>>Wieso bist du nicht bei Keeden?<<, frage ich schließlich in die Stille hinein, denn das ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Vielleicht will er sie ja nicht bei sich haben.
>>Weil ich hier bei dir sein möchte.<<, antwortet sie nach einer kurzen Pause und ihre Augen funkeln, als sie mich ansieht.
In mir breitet sich eine wohlige Wärme aus und jegliche Wut, die ich auf sie hatte, löst sich in Luft aus.
>>Komm her.<<, flüstere ich und ziehe sie in meine Arme. Rumer schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ich atme ihren Duft ein und schließe dann die Augen. Mein Körper ist nun völlig entspannt und ich merke, wie der Schlaf dabei ist mich langsam in seine Tiefen zu ziehen.
>>Navin?<<, fragt Ru nach einer Weile flüsternd, als ich schon fast eingeschlafen bin.
>>Ja?<< Ich gähne und reibe mir die Augen.
>>Ich weiß jetzt die Antwort auf deine Frage.<< Ihre Hand zupft unsicher an meinem T-Shirt rum und ich spüre, wie sie tief einatmet. 
>>Welche Frage?<<, frage ich verschlafen und versuche die Augen zu öffnen, um sie anzusehen.
Ihr Atem zittert ein wenig. >>Auf deine Frage, ob ich für dich auch Rücksicht genommen hätte, wenn ich mich in Keeden verliebt hätte.<<
>>Und?<<
>>Ja, hätte ich.<<, meint sie entschlossen und ihre Stimme klingt wieder so fest, wie ich Rumer kenne.
>>Schön zu wissen.<<, murmele ich und küsse sie auf den Scheitel.
>>Aber... eines wäre anders gewesen bei Keeden...<<, fügt sie zögerlich hinzu und als sie nicht weiter spricht, sehe ich sie an. Ihr Blick begegnet meinem und mein Herzschlag beschleunigt sich unwillkürlich. >>Bei Keeden...<<, fährt sie fort. >>Hätte ich das mit dem Rücksicht nehmen länger durchgehalten.<< Und mit diesen Worten rutscht sie ein Stück näher zu mir heran und drückt ihre Lippen auf meine.
Einen Augenblick bin ich vollkommen überrumpelt, doch dann schlinge ich meine Arme um ihre Taille und ziehe sie noch näher an mich heran. Sie stöhnt leise auf und umfasst mit ihren Händen mein Gesicht. Dann wechselt der Kuss von vorsichtig und sanft zu drängend und leidenschaftlich. Meine Hände wandern zum Saum ihres Oberteils und ich zerre daran. 
Ru's Lippen lösen sich von meinen. Sie setzt sich auf und sieht mich atemlos an.
Ich bin zu weit gegangen. >>Tut mir... leid.<<, keuche ich ebenso außer Atem wie sie und sehe sie entschuldigend an. Einen Augenblick erwidert sie meinen Blick nachdenklich, dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie zieht sich ihr Top über den Kopf und schleudert es beiseite. Darunter trägt sie nur einen schwarzen BH. Erstaunt weiten sich meine Augen. 
>>Rumer...<<, flüstere ich atemlos und setze mich ebenfalls hin. >>Du musst das nicht tun.<<
>>Ich weiß.<<, antwortet sie lächelnd, schwingt ein Bein über meine und setzt sich dann auf meine Oberschenkel. Ihr Gesicht ist ganz nahm an meinem und ich halte den Atem an. >>Aber ich will das.<<
Einen Moment mustere ich sie eingehend. Lasse meinen Blick über ihr Gesicht gleiten. Ihre wundervollen Augen, die geröteten Wangen, ihre Lippen. Ihr Haar, dass ihr Gesicht, wie ein Vorhang aus flüssigem Gold umgibt. Und dann gleitet mein Blick tiefer und ich nehme jeden Zentimeter ihres Körpers in mir auf, bis mein Blick schließlich wieder bei ihren Augen endet. 
>>Bist du dir sicher?<<, frage ich unsicher und bemerke, dass meine Stimme bebt.
>>Ja.<<, antwortet sie und legt ihre Arme um meinen Hals. Einen Augenblick sehen wir uns noch in die Augen, bevor ich mich vorbeuge und sie küsse. Erst zögerlich, damit sie es sich noch anders überlegen kann, doch dann zieht sie mich näher an sich und meine Selbstbeherrschung löst sich in Rauch auf. Ich grabe mein Hände in ihre Haare und küsse sie jetzt intensiver. Ihre Hände wandern an meinen Seiten herunter und dann zieht sie mir mein T-Shirt über den Kopf und wirft es, wie vorhin ihr Oberteil, beiseite. Unsere Lippen finden sich wieder und ich lehne mich langsam nach hinten, bis ich wieder auf dem Boden liege, Rumer über mir. Dann rolle ich mich herum, bis ich über ihr bin und löse mich kurz von ihren Lippen, um ihren Anblick in mir aufzunehmen. Ihre Wangen glühen und ein aufgeregtes Funkeln ist in ihren Augen zu erkennen. Sanft streiche ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüstere: >>Ich liebe dich, Rumer.<<
>>Ich dich auch.<<, antwortet sie an meinen Lippen und zieht mich wieder zu sich.
Ich kann ihren rasenden Herzschlag an meiner Brust spüren und stelle fest, dass ihres genauso heftig schlägt, wie meins. Und dann ist da nur noch sie. Ihr Herzschlag. Ihre Lippen, auf meinen. Ihre weiche, warme Haut unter meinen rauen Händen. Ihr Geruch, der mich umgibt.
Und ihre Stimme, die meinen Namen flüstert, als wir schließlich miteinander schlafen.